Die Alpenkuh als Klimaretter

Anfang November kommt die Weltpolitik zum Klimagipfel im schottischen Glasgow zusammen. Auf der Agenda: Eine Reduktion des Methanausstoßes, auch in der Rinderhaltung. Aber wie sehr trägt diese überhaupt zum Klimawandel bei?

Bis vor kurzem war CH4 klimapolitisch eher ein Nebenschauplatz. Alles hat sich auf die Reduktion von CO2 fokussiert. Das soll nun anders werden: EU-Ratspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden haben sich auf den sogenannten „Global Methane Plegde“ verständigt, das Europäische Parlament fordert verbindliche Reduktionsziele bei dem Klimagas ein. Der Hintergrund: Während CO2 ewig lange in der Atmosphäre bleibt, wird Methan vergleichsweise rasch abgebaut und hat kurzfristig eine höhere Wirkung auf den Treibhauseffekt. Eine Zurücknahme der Belastung damit hat also wesentlich unmittelbarere Effekte auf den Klimawandel und ist quasi die Notbremse am Zug in die globale Erwärmung. Die schlechte Nachricht für die Landwirtschaft ist dabei aber, dass ein signifikanter Anteil des Gases von Wiederkäuern gerülpst wird. Für eine rasche Wirksamkeit braucht es also unter anderem weniger Rinder, so die Idee. In diesen Wochen steht die Viehwirtschaft also wieder einmal am öffentlichen Pranger.

Der Leiter des Institutes für Nutztierforschung an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, Thomas Guggenberger, legt schon jetzt scharfen Protest ein: „Gerade einmal 4,3 Prozent des weltweiten CH4-Austoßes kommen aus dem Pansen und dem Wirtschaftsdünger von Wiederkäuern.“ Dieses sei außerdem in einem verlässlichen Abbauprozess der Atmosphäre eingebunden. Dies führt dazu, dass sich CH4 nicht aggregiert, weshalb die langfristige Klimawirksamkeit verschwindend gering bleibt. „Jetzt über Methan zu reden, ist Populismus, weil man die bisher gesetzten Ziele nicht erreicht hat. Die Zahl der Rinder in Österreich ist ohnehin zurückgegangen, die Emissionen konnten schon gesenkt werden. Im Sinne des 1,5°-Berichtes des Weltklimarates erreicht Österreich sogar schon jetzt das angestrebte Netto-Null-Ziel.“ Das große Problem bleibt für den Wissenschaftler die Freisetzung von Kohlenstoff aus fossilen Quellen und das Lachgas. Hier muss man auch die Landwirtschaft mit ihrem Einsatz von Mineraldüngern und Diesel und dem Import von Futtermitteln aus Übersee in die Pflicht nehmen. Die Reduktionsstrategien schauen dabei aber anders aus. „Dafür braucht es eine standortgerechte Bewirtschaftung, die so wenig externe Faktoren wie möglich in das System hereinholt“, so Guggenberger.

Als Paradebeispiel dafür sieht sich die ARGE Heumilch, die sich die Zahlen dazu von der Universität für Bodenkultur auch in einer Studie absichern lassen hat. „Wir verfüttern das, was vor unserer Haustüre wächst und verwenden nur so viel Kraftfutter, wie es für die Gesundheit der Kühe und für eine solide Milchmenge unbedingt notwendig ist“, unterstreicht Obmann Karl Neuhofer. Zudem sei das Dauergrünland, was die CO2-Bindung betrifft, optimal. Es speichert 30 Prozent mehr Kohlenstoff als Ackerland. Milch von Wiese und Weide ist damit klar im Vorteil gegenüber jener aus intensiven Systemen, die ihre Futtergrundlage vom Feld beziehen. Am schlechtesten fällt die Bilanz demnach dann aus, wenn Handelsware von weit her bezogen wird. Allerdings stoßen mit Heu oder Silage gefütterte Rinder erwiesenermaßen mehr Methan aus als bei einer stärkereicheren Ration und geraten damit in den aktuell angestellten Kalkulationen unter Druck. Die extensive Kuh als größere Klimabelastung als die Turbokuh sei allerdings Unsinn, erklärt der Salzburger Heumilchbauer. „Diese Meinung kommt nur daher, weil der Ausstoß pro Liter Milch und nicht pro Hektar ermittelt wird.“

Schöngerechnet seien die Zahlen mancher Kollegen, die für eine möglichst intensive Milchproduktion zur Verbesserung der Klimabilanz eintreten, meint auch Thomas Guggenberger. „Selbstverständlich stimmt es, dass pro Liter Mich ein geringerer Wert herauskommt, wenn ich nur die Emissionen des Tieres durch eine möglichst hohe Milchleistung dividiere. Wenn wir aber die Wirkung aller Betriebsmittel durch Infrastruktur, Produktion und Transport berücksichtigen, dann schmilzt dieser Effekt rasch dahin.“ Insgesamt umweltverträglich ist demnach am Ende jene Produktionsform, die aus den natürlichen Möglichkeiten des eigenen Hofes das Optimum an Leistung herausholt und Betriebsmittel in erster Linie zum Ausgleich von Defiziten verwendet. Auch wenn dies im Alltag vieler Landwirte bereits gelebt wird: Man könne man sich durchaus bemühen, auch in Österreich das Methan aus der Viehhaltung zu reduzieren. „Das ist dann aber als Senke zu betrachten und soll nur mit Belohnungen und nicht mit einer Drohkulisse geschehen“, mahnt Guggenberger.

Eine Möglichkeit, die in Raumberg-Gumpenstein beforscht wurde, ist der Einsatz von Zitronengras in der Futterration, die einen Rückgang von bis zu 15 Prozent verspricht. Regionaler ist die Beimengung von extrudierter Leinsaat, die sogar in Österreich angebaut werden könnte. In diesen Bereich ist die Garant Tiernahrung GmbH mit der Übernahme einer Lizenz des französischen Partners Valorex eingestiegen. Geschäftsführer Gerhard Bauernfeind: „Mit dem Produkt haben wir ein Ass im Ärmel, falls tatsächlich Reduktionsziele formuliert werden. Zusätzlich zur Senkung des Methans fördert Leinsaat auch die Fruchtbarkeit und Gesundheit der Rinder.“ Damit könne die Kuh, im Gegensatz zu ihrem Image als Klimakiller, sogar zum Klimaretter werden und den großen Emittenten von fossilen Rohstoffen mehr Zeit verschaffen, um Lösungen zu finden. Parallel dazu macht die Garant auch Versuche mit dem Futterzusatzstoff Agolin, der ätherische Öle enthält.

Ganz am Ende der Entwicklung ist man auch bei der ARGE Heumilch nicht. Obmann Karl Neuhofer will weiter nach Möglichkeiten suchen, die Wirtschaftsweise noch grüner zu machen: „Bei der Klimabilanz hätte ja die Anbindehaltung durchaus Vorteile, weil bei diesem System Mist und Jauche gleich getrennt waren. Das kollidiert aber mit den Wünschen beim Tierwohl.“ In jedem Fall müsse man sich aber anschauen, wie die Ausdünstung im befestigten Auslaufbereich, etwa durch regelmäßige Säuberung, minimiert werden können. Auch der Einsatz externer Energie bei der Heutrocknung ist ein Ansatz. Systeme mit Solar-Luftanwärmung über die Sonne, Biomassewärme durch Hackschnitzelheizung oder energieeffiziente Wärmepumpen haben ölbasierte Trocknungs-Techniken aus der Vergangenheit abgelöst. Auch Photovoltaikanlagen für eine klimaneutrale Stromproduktion kommen vermehrt zum Einsatz. Bei der Fütterung wird der Energieaufwand im Gesamtprozess, zum Beispiel durch den Verzicht auf den Futtermischwagen, klein gehalten.

 

Der Beitrag Die Alpenkuh als Klimaretter erschien zuerst auf Blick ins Land.

Agrarpolitik, BLICK INS LAND vor Ort

WordPress Ads