Glocknerregen bringt keinen Segen

Am 18. Juli 2021 wurde der Oberpinzgau zum dritten Mal binnen 16 Jahren von einem „Jahrhunderthochwasser“ heimgesucht. Der Maschinenring hat die Rekultivierung des Grünlandes organisiert. Für die Zukunft braucht es neue Schutzkonzepte.

Einmal in deiner Generation bist du als Bauer bist von einem großen Hochwasser betroffen. Diese eherne Regel mussten Landwirte im Salzachtal rund um Mittersill seit jeher beherzigen. Sie stimmt nicht mehr. Denn so manchem Bauern sind die Wiesen im Sommer 2021 zum dritten Mal in nicht einmal zwei Jahrzehnten abgesoffen. Hunderte Hektar sind schwer in Mitleidenschaft gezogen worden; ganz zu schweigen von den Schäden auf den Höfen und in den Siedlungs- und Gewerbegebieten. Der Oberpinzgau war einmal mehr Katastrophengebiet. Einziger Trost war, dass zumindest eine Überflutung des Stadtkerns von Mittersill diesmal verhindert werden konnte.

Die Stimmung bei den bei den betroffenen Bauern ist gedrückt. „Die Rekultivierung der Flächen ist mit hohen Kosten verbunden. Das nächste Hochwasser kommt schon, wenn man mit dem Rückzahlen des vorigen noch nicht fertig ist“, meint der Sekretär der Bezirksbauernkammer Zell am See, Hubert Lohfeyer. Bis zu einem Meter hohen Schlamm haben die Wassermassen auf den ufernahen Wiesen abgelagert. Vielfach war die komplette Neuanlage ein Wettlauf gegen die Zeit, da dieser betonhart wird, wenn er abtrocknet. Auch relativ dünne Sandablagerungen verhindern, dass die Vegetation die Kruste durchdringen kann. Von Anfang August bis Ende Oktober galt es auf jedem einzelnen Feldstück den richtigen Zeitpunkt zwischen „zu nass zum Hineinfahren“ und „zu hart zum Aufreißen“ zu finden.

Gelungen ist dieser Balanceakt dank der Koordination des Maschinenrings Pinzgau. „Wir haben uns jede Fläche angeschaut und mit den Bauern besprochen, welche Maßnahme am sinnvollsten ist und mit welchem Saatgut wir arbeiten“, erklärt dessen Geschäftsführer Michael Fankhauser. Je nachdem wurden die Aufträge an sechs verschiedene Dienstleister aufgeteilt, die mit Striegel, Kreiselegge, Rotorfräse oder Pflug ans Werk gingen. „Der Oberpinzgau ist ja fast eine reine Grünlandregion. Ackerbaugeräte sind hier schwer verfügbar. Dennoch war es uns wichtig, die Arbeit an regionale Anbieter zu verteilen“, sagt Fankhauser. Betroffene Bauern und die Fahrer kennen sich und können so auf kurzem Weg unkompliziert Termine ausmachen.

„Die normale Arbeit bei uns am Hof ist ja genauso weitergegangen“, erzählt Hermann Bernsteiner aus Piesendorf. So gut wie jede freie Minute hat der Brücklbauer bis in den Herbst hinein damit verbracht, mit seiner Fräse Hochwasserflächen zu bearbeiten. „Besonders frustrierend war, dass Mitte August nochmals eine kleinere Überflutung gekommen ist, die wieder bereits rekultivierte Flächen betroffen hat.“ Dennoch sei auf den meisten Wiesen 2022 wieder ein Ertrag zu erwarten. Bis dieser jedoch wieder Normalniveau erreicht hat, wird es bis zu drei Jahre dauern. Wenn nicht vorher wieder eine Überschwemmung daherkommt. Verzichten kann man auf die ebenen und fruchtbaren Flächen aber nicht, meint Bernsteiner, der selbst auf zehn Hektar betroffen war: „Das Grünland ist bei uns knapp, wir sind auf die Tallagen angewiesen.“

Kammersekretär Lohfeyer hebt die Schadensabwicklung durch den Katastrophenfonds des Landes Salzburg und die Organisation der Rekultivierung durch den Maschinenring lobend hervor. „Von einer vollständigen Schadloshaltung sind wir aber weit weg. Und die ständige Bedrohung zehrt an den Nerven der Bauern.“ Aufgrund des Klimawandels wird es immer wieder zu ähnlichen Konstellationen kommen, so Lohfeyer. „Früher hat es bei solchen Schlechtwetterereignissen über 1.500 Meter geschneit. Heute regnet es bis hinauf auf den Gipfel des Großglockners und des Großvenedigers.“ Die engen Gebirgstäler kanalisieren die Niederschläge und leiten sie in einem Schwall ins Salzachtal ab. „Die nach 2005 errichteten Schutzbauten reichen nicht mehr aus“, unterstreicht Michael Fankhauser, „es wird auch zunsätzliche Maßnahmen, zum Beispiel in den Tauerntälern, brauchen.“

Diese gehören aber zum Nationalpark Hohe Tauern – und damit zu einem Heiligtum des Naturschutzes in Österreich. Dort einfach Betonwände hinzuklotzen, würde sich nicht mit dem Selbstverständnis unberührter Natur vertragen. Der für Landwirtschaft, aber auch für Raumplanung und Wasserwirtschaft zuständige Landesrat Josef Schwaiger verweist auf bereits heute bestehende, nicht sichtbare Schutzbauten an der Salzach: „Unsere Experten projektieren Dämme, als wären diese Geländeveränderungen bereits seit Jahrtausenden natürlich als Moränenablagerungen in der Landschaft vorhanden.“ Aktuell befinde man sich in Abstimmungen mit der für Naturschutz und Nationalparks verantwortlichen Landesrätin Daniela Gutschi, den betroffenen Bürgermeistern, der Landesumweltanwaltschaft, dem Naturschutzbund und dem Alpenverein. Anhand von Computermodellen wird gerade berechnet, wo es Rückhaltemöglichkeiten geben würde.

Wo immer es neue Retentionsräume braucht, werden diese aber auch von Bauern zur Verfügung gestellt werden müssen. Daher wird es parallel auch Verhandlungen zu Entschädigungen und Ablösen für Verluste und Einschränkungen brauchen. Gerade im Bereich des Nationalparks Hohe Tauern war diese Diskussion historisch nicht immer einfach. Seiner Einrichtung vor mehr als 50 Jahren ist so mancher harsche Konflikt zwischen Bewirtschaftungs- und Naturschutzinteressen vorangegangen. „Dank der Zusammenarbeit mit der Schutzgemeinschaft der Grundbesitzer im Nationalpark konnte aber ein gutes Einvernehmen hergestellt werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit allen Betroffenen tragfähige Lösungen zum Schutz der Bevölkerung erreichen werden“, so Schwaiger.

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