Kommt die Laufstallmilch?

2018 hat Milchgenossenschaft Niederösterreich mit der Ankündigung einer „Wohlfühlgarantie“ für die Kühe der Lieferanten der NÖM-Milch für Aufsehen gesorgt. MGN-Geschäftsführer LEOPOLD GRUBER-DOBERER zu den Auswirkungen und kommenden Entwicklungen.

Die MGN hat in den letzten Jahren überdurchschnittlich viele Lieferanten verloren. Wie viele davon haben konkret wegen dem Tierwohlprogramm aufgehört?

Uns war bewusst, dass das Programm tief in die Strukturen hineingehen wird. Zu Beginn hatten beinahe 700 von rund 3000 Lieferanten Anpassungsbedarf. Viele Betriebe konnten Möglichkeiten weg von der dauerhaften Anbindehaltung in Richtung Kombinationshaltung schaffen. Natürlich hat es Härtefälle gegeben, wo Leute aufgrund der räumlichen Situation nicht anpassen konnten oder das auch gar nicht mehr wollten. Fast zehn Prozent der Betroffenen haben deshalb mit der Milch aufgehört. Das wollen wir nicht schönreden.

Warum macht eine Genossenschaft denn so etwas?

Weil wir am Markt agieren und die Milch verkaufen müssen. Die dauernde Anbindehaltung wird von der Gesellschaft nicht mehr akzeptiert. Daher können wir sie nicht mehr vertreten – nicht per se darum, weil es der Kuh dabei schlechter geht, sondern, weil die Leute dieses Bild nicht mehr sehen wollen.

Wenn es darum geht, wäre eine „Laufstallmilch“ der nächste logische Schritt. Ist es vorstellbar, dass die von der MGN irgendwann extra gesammelt wird?

Die Forderung danach ist zumindest aus dem deutschen Handel momentan sehr laut hörbar. Er wird den Molkereien ganz klare Vorgaben geben, unter welchen Bedingungen sie noch liefern dürfen. Keiner wird sich erlauben können, auf diesen Markt zu verzichten. Dem müssen wir uns stellen. Ich schließe differenzierte Sammlungen daher nicht aus.

Ist das dann der erste Schritt weg von der Kombihaltung?

Nein. Sie ist ein Muss für heimische Milchproduktion. Ansonsten wird der Handel in Österreich nicht mehr mit der kleinbäuerlichen Struktur Werbung machen können. Wenn er vernünftig ist, wird er die Kombihaltung also weiterhin akzeptieren.

Ohne den Export nach Deutschland wird es angesichts der Milchmengen in Österreich unbestritten nicht gehen. Müsste man nicht längst viel eher schauen, dass die Produktion eingedämmt wird, statt ständig unter Druck zu stehen, die Produkte irgendwie auf den Markt zu pressen?

Das ist grundsätzlich richtig. Aber es muss dabei schon bedacht werden das wir in Österreich eine der kleinsten Strukturen in Europa haben und nur etwa zwei Prozent der EU-Menge produzieren. In Österreich zu bremsen, wenn Irland gleichzeitig aufs Gas steigt, bringt nichts. Bei uns würde damit die jahrelange Anstrengung sowohl in der Rinderzucht als auch in der Milchveredelung zunichte gemacht werden. Dieses Thema kann nur gesamteuropäisch gelöst werden. Da müssen wir hinterfragen, ob es der richtige Ansatz ist, für den Weltmarkt produzieren zu wollen. Wir müssen aufhören, Soja aus Übersee zu importieren und die Produkte dann irgendwo global zu platzieren. Damit importieren wir uns nur billige Produktpreise und Kritik bei den Treibhausgasemissionen. Solange das nicht anders wird, werden wir in der Tretmühle der Konkurrenz mit Übersee gefangen bleiben.

Wie lässt sich dieses Hamsterrad stoppen?

In den letzten zehn Jahren haben wir die steigenden Vorkosten nur mit höherer Milchmenge ausgeglichen. Das hat zu immer vollen Regalen geführt. Solange jeden Tag mehr da ist, als die Leute essen können, wird der Preis aber nicht besser werden. Jeder Bauer wird daher für sich die Rechnung anstellen müssen, ob das letzte Kilo Kraftfutter tatsächlich noch notwendig ist. Und wir werden an höheren Preisen im Regal nicht vorbeikommen. Das wird auch der Handel einsehen müssen.

Bei der Biomilch droht ja eine ähnliche Entwicklung. Ist da am Markt überhaupt noch ausreichend Platz?

Wir nehmen grundsätzlich noch jeden Biolieferanten auf. Ich sage aber seit Jahren, dass Bio nach Deutschland ein geliehener Markt ist. Die Herkunft wird dort speziell bei der Frischmilch ein immer größeres Thema. Die deutschen Bauern bedienen die Nachfrage vermehrt selber. Das wird den Druck im Kessel bei uns erhöhen.

Mit der Weideverpflichtung stehen manche Biolieferanten ja ohnehin vor dem Ausstieg,

Wir haben die Richtlinien in Österreich immer möglichst weit ausgelegt, um viele Bauern mitzunehmen. In Norddeutschland wird aber genau mit dem Thema Weide schon bei der konventionellen Milch Werbung gemacht. Es wird uns daher nicht gelingen, Bio als etwas Besonderes darzustellen, wenn die Kühe dabei nicht auf die Weide dürfen.

Das hört sich nach weiterhin herausfordernden Zeiten an. Wenn ein junger Hofübernehmer anruft und fragt „Leo, soll ich in die Milch investieren?“ was antworten sie?

Ich bin zutiefst überzeugt, dass die Milch Zukunft hat. Aber jeder Übernehmer muss sich fragen, ob er die Kühe behalten will, weil er Milchbauer aus Überzeugung ist oder nur, weil es sich der Vater einbildet. Dann muss er seine Kapazitäten bewerten. Ich warne davor, mit Pachtflächen groß aufzustocken. Damit mache ich mich auf ewig vom Verpächter abhängig. Und nur, weil ich groß bin, bin ich noch nicht erfolgreich. Eine gewisse Mindestgröße wird es brauchen. Es wird aber nicht jeder 120 Kühe haben müssen. Ein Familienbetrieb mit 40 oder 45 Kühen ist sehr gut ausgelastet. Mit einem Melkroboter sind vielleicht 60 oder 65 denkbar. Jeder Schritt darüber hinaus muss sehr gut überlegt sein.

Interview: STEFAN NIMMERVOLL

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