Wir brauchen einen Quantensprung

Der Bundesverband der Maschinenringe kommt nicht zur Ruhe. Nach einer Machtprobe bei der
Generalversammlung musste der bisherige Geschäftsführer gehen. STEFAN NIMMERVOLL im Gespräch mit dessen Nachfolgerin GERTRAUD WEIGL und Bundesobmann CHRISTIAN ANGERER.
Die ganze Welt steht unter dem Eindruck der Coronakrise. Wie wirkt sich die Situation im Maschinenring aus?
Weigl: Wir versuchen so weit als möglich Normalität in der Arbeitsweise zu erhalten. Alles Agrarische funktioniert ohnehin fast so wie bisher. Die Pflanzen wachsen und müssen abgeerntet werden. Im Personalleasing-Bereich hat es bei manchen Kunden Kurzarbeit gegeben. Das Geschäft läuft dennoch zufriedenstellend.
Angerer: Wir Bauern sind Systemerhalter. Wir müssen die Tiere trotzdem versorgen, die Felder bestellen – Pandemie hin oder her. Das sorgt für eine gewisse Form der Entspannung. Der innere Seelenfrieden ist damit sogar einfacher herzustellen als in anderen Branchen.
Nicht zuletzt sind ja die Arbeitslosenzahlen in die Höhe geschnellt. Gibt es überhaupt genug Aufträge für ihre Leiharbeiter?
Weigl: Wir haben 5.000 Leute im Einsatz und hätten im gesamten Maschinenring sogar 400 Stellen offen. Obwohl die Arbeitslosigkeit groß ist, ist es nach wie vor sehr schwierig, geeignetes Personal zu finden.
Besteht die Gefahr, dass der Maschinenring durch Ausfälle von Kunden in eine Schieflage kommt, wenn die jetzt gestundeten Steuern und Abgaben fällig werden?
Weigl: Das Gebot der Stunde ist es, das derzeit übervorsichtig zu monitoren. Wir beobachten unsere Forderungen genau und halten die Bonitätsabfragen sehr straff. Außerdem sind wir gut regional vernetzt und bekommen mit, wenn es einem Unternehmen nicht gut geht. Bei 3.000 Kunden wird uns aber der eine und andere Fall treffen. So realistisch sind wir.
Corona kann jeder bekommen. Was geschieht, wenn ein Winterdienstfahrer ausfällt und auch seine Familie in Quarantäne muss?
Angerer: Der Winterdienst ist systemrelevant, gleich wie zum Beispiel die Versorgung von Tieren. Eisglatte Straßen gibt es ja trotz Corona. Das macht die Sache einfacher. Wer in Quarantäne ist, darf seine Aufgaben weiter erledigen. Nur wer wirklich krank ist, muss für Ersatz sorgen. Wenn das nicht so wäre, hätten wir vermutlich schwierige Situationen erlebt, da ja oft ganze Familien in Quarantäne müssen und alternative Ausfahrer aus dem gleichen Betrieb nicht möglich gewesen wären.
Die Krise bringt gewaltige Fortschritte bei der Digitalisierung mit sich. Welche Verantwortung kommt auf den Maschinenring bei der Umsetzung in der Landwirtschaft zu?
Weigl: Wir haben da einen gesellschaftspolitischen Auftrag. Das Ziel muss es sein, die Digitalisierung auf allen Höfen auszurollen. Vorteile für unsere Mitglieder herauszuholen ist eine Mission. Mittlerweile haben wir in der gesamten Organisation viel Wissen aufgebaut, unsere Agrarkundenbetreuer sind in vielen Bereichen zu spezialisierten Profis geworden. Wir arbeiten zum Beispiel gerade auch in einem Forschungsprojekt gemeinsam mit der TU Wien an einer modernen Software-Plattform, die grundsätzlich gegenüber anderen Systemen offen ist und über die beispielsweise die Interaktion mit dem Maschinenring organisiert werden soll. Damit können auch weiterhin Einsätze durch den Maschinenring geplant werden – und dies direkt auf der Plattform des Landwirtes. Das Thema Daten wird uns in den nächsten Jahren noch stark beschäftigen, nicht nur wenn ich an die Schnittstelle zur AMA denke, sondern vor allem wenn es um sogenannte „open government data“ mit entsprechender landwirtschaftlicher Relevanz geht.
Der agrarische Einsatz wird damit viel komplexer. Ist der Maschinenring dafür schon fit?
Angerer: Hier brauchen wir einen Quantensprung. Daher wird das der Schwerpunkt der kommenden Jahre sein.
Weigl: Unser Auftrag lautet: Schulung, Schulung, Schulung. Wissenstransfer ist das Gebot der Stunde. Unsere Mitarbeiter müssen klar darstellen können, welche neuen Technologien einen Mehrwert für den Landwirt darstellen. Dafür wollen wir sie fit machen.
Die Vereinigung der Lohnunternehmer beklagt, dass in der pauschalierten Landwirtschaft bei der Nachbarschaftshilfe vermehrt gewerbliche und steuerliche Grenzen überschritten werden. Der Maschinenring würde gewisse Umgehungskonstrukte sogar unterstützen. Was sagen Sie dazu?
Angerer: Grundsätzlich haben wir ein konstruktives Verhältnis mit Lohnunternehmern. Viele sind Mitglied und bieten ihre Dienstleistungen auch über uns an. In allem, was wir tun, legen wir höchsten Wert auf die Einhaltung der Vorgaben – steuerlich, gewerberechtlich und alle weiteren Gesetze. Diese Rechtssicherheit ist ja auch ein Beweggrund, warum so viele Landwirte ihre Tätigkeiten für andere Betriebe über die Maschinenringe abrechnen lassen. In einigen Maschinenringe wurden auch KGs geschaffen – aus genau dem Grund, um den gesetzlichen Rahmenbedingungen Genüge zu tun.
Spüren Sie den wirtschaftlichen Druck durch immer größere und professionellere agrarische Mitbewerber?
Angerer: Natürlich ist es anders geworden. Die Dinge haben sich in den letzten Jahren so entwickelt, wie sie sich entwickelt haben. Jeder braucht seine Nische. Unsere sind intelligente Lösungen, mit denen wir die Bauern unterstützen können. In Tirol haben wir zum Beispiel in den Segmenten Grünlanderneuerung oder bei der bodennahen Gülleausbringung viel erreicht. Gerätewarte und Standortbetreuer sind dabei über uns organisiert. In dieser Kooperation an der Basis liegt unsere Stärke. Daneben werden Lohnunternehmer weiter wachsen, aber eben andere Segmente abdecken. Das Ziel ist immer, den landwirtschaftlichen Betrieben das Wirtschaften zu erleichtern und ihnen bestmögliche Services zu bieten.
Weigl: Bei uns wird der Landwirt ab der Stunde Null, ab der er eine Maschine, eine Technologie nutzt, perfekt serviciert. Unsere Vision ist, alle mitzunehmen, unabhängig von der Betriebsgröße und -struktur.
Sie wollen ja bundesweit akkordierter auftreten. Ist das nicht eine Sisyphusaufgabe in einem Verband, der in unabhängigen Ringen und starken Landesorganisationen organisiert ist?
Angerer: Einfach ist das nicht. Als Spitzenfunktionär ist man aber dazu da, einen Ausgleich zu schaffen und Synergien zu finden. In der Summe gelingt uns das.
Es hat ja immer wieder scharfe interne Diskussionen gegeben. Erst jetzt gibt es wieder einen Wechsel in der Geschäftsführung. Wann kehrt im Maschinenring Ruhe ein?
Angerer: Ruhe ist in einer gewachsenen, vielschichtigen Organisation wie dem Maschinenring ein Wunschdenken. Die Entwicklungszyklen und Interessen in den einzelnen Ländern sind oft unterschiedlich. Bei der Generalversammlung im Oktober in St. Pölten haben die Funktionäre, also die Vertreter der Mitglieder, und die Ring-Geschäftsführer klar gemacht, was sie sich erwarten. Dieser Diskussionsprozess war notwendig. Daher ist es auch zu einem Wechsel in der Geschäftsführung gekommen. Jetzt haben wir neue Kraft erhalten. Ich bin zuversichtlich, wenn ich auf die nächsten Monate blicke.
Es wird auch viel über Strukturen diskutiert. In Oberösterreich wird da gerade eine Reform durchgeführt.
Weigl: Wir reden in Oberösterreich teilweise von sehr kleinstrukturierten Ringen. Wenn da jemand ausfällt, gibt es kaum Ersatz für die entsprechende Arbeitskraft und deren Know-how. Die Anforderungen werden gleichzeitig immer vielfältiger. Das ist in den kleinen Einheiten oft nicht mehr zu bewältigen. Die Spezialisierung von Mitarbeitern, etwa mit Blick auf die komplexen Anforderungen durch die landwirtschaftliche Digitalisierung, ist nur in größeren Einheiten möglich. Daher müssen wir hin zu organisatorisch und wirtschaftlich größeren Einheiten.
Heißt das, dass ähnliche Schritte auch in anderen Bundesländern notwendig sind?
Angerer: Da gibt es regional sehr unterschiedliche Ansätze. In Tirol beispielsweise wurde im Sommer der Organisationsentwicklungsprozess abgeschlossen. Dieses Bundesland geht den Weg, die Ringe vor Ort zu belassen und Synergien zu heben, indem alle Mitarbeiter über den Maschinenring Service angestellt wurden. Das bietet einen anderen Überblick über das gesamte Bundesland und schafft die Möglichkeit, Aufgaben anders zu verteilen und Spezialisten herauszubilden
Sie kommen als neue Geschäftsführerin aus dem Maschinenring Personal & Service und haben auch davor nicht im Agrarsektor gearbeitet. Ist das als Signal zu verstehen?
Weigl: Bei mir ist klar, wo ich bisher meine Expertise hatte. Das Interesse am Agrarischen ist in den letzten Jahren aber durchaus gewachsen. Ich bin ja nicht blind nur im Personalleasing unterwegs gewesen, sondern habe viel aus dem Agrar-Bereich mitbekommen. Und wir werden zusätzlich einen Geschäftsleiter Agrar nominieren, der mich in diesem Bereich unterstützt.
Soll der Maschinenring denn langfristig überhaupt noch ein agrarisches Unternehmen bleiben oder muss der Schwerpunkt langfristig anderswo liegen?
Angerer: Unsere Herkunft ist bäuerlich. Unsere 73.000 Mitglieder sind nach wie vor eine solide Basis und ein klarer Auftrag. Es war aber richtig, sich breiter aufzustellen und zusätzliche Tätigkeitsfelder aufzunehmen.
Mittlerweile sind im Personalleasing nicht wenige Dienstnehmer angestellt, die gar nicht aus der Landwirtschaft stammen. Entspricht das überhaupt noch der Grundidee des Unternehmens?
Weigl: Durchaus. Unser Unternehmen ist von der Qualität der Mitarbeiter getragen. Auch wenn die Hälfte davon keine landwirtschaftlichen Wurzeln mehr haben, steht doch immer noch die bäuerliche Handschlagqualität im Mittelpunkt. Unsere Kunden bekommen Leute aus der Region, die sie oft persönlich kennen. Das ist bei anderen Arbeitskräfteüberlassern meist nicht mehr gegeben.

Christian Angerer ist Schaf- und Ziegenbauer in Breitenwang im Außerfern und dort auch Vizebürgermeister. 1994 war er Gründungsmitglied des Maschinenrings Reutte. Seit 2016 ist er Landesobmann in Tirol, seit 2019 auch Bundesobmann der Maschinenringe.

Die gebürtige Mühlviertlerin Gertraud Weigl ist seit 2016 Geschäftsführerin der MR Personal und Service und wurde folgte vor kurzem Franz Sturmlechner als Bundesgeschäftsführerin der Organisation. Zuvor arbeitete sie in der Versicherungs- und Reisebürobranche und war kaufmännische Leiterin bei Jagdbedarf Eduard Kettner.

 

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